Dorfschule und Backes

Die Wierschemer Schulgeschichte I (1790 - 1970)

Wer heute vor diesem alten Fachwerkhaus im Zentrum Wierschems steht, kann sich kaum vorstellen, dass darin im im 19.Jahrhundert bis zu 100 Kinder täglich unterrichtet wurden. Zur Zeit der französischen Herrschaft, die nach der französischen Revolution die linke Rheinseite Deutschlands regierte, war das mittlere Stockwerk des kleinen Gebäudes Schulhaus für Wierschem, Lasserg, Keldung und Sevenich - also eine Art Mittelpunktschule. Das konnte bei diesen beengten Möglichkeiten wohl einige Jahre gut gehen, zumal meist in Schichten morgens und nachmittags unterrichtet wurde. Als aber die Geburtszahlen nach überstandener Besatzungszeit stiegen, reichte der Schulraum nicht mehr.

1814 legten sich die begüterten Sevenicher Bauernfamilien einen eigenen Lehrer zu, bevor ihre Kinder später in Münstermaifeld Aufnahme fanden. Lasserg baute sich 1841 ein eigenes  Schulgebäude, und als um 1880 die Schülerzahl in Wierschem trotzdem über 100 stieg - man muss wissen, dass Wierschem Mitte des vorigen Jahrunderts fast 500 Einwohner hatte - entschloss sich auch Keldung 1888, eine eigene Schule zu bauen. Damit wäre für Wierschems Nachwuchs wohl genügend Platz gewesen, zumal man sich vorher so behelfen musste, doch sicher sagten sich Wierschems Gemeindeväter: "Warum sollen nicht auch unsere Kinder in eine schöne neue Schule gehen?" Und so errichteten sie 1889 eine neue Schule an der Straße zur Burg Eltz.

Interessanterweise gewann die alte Dorfschule in der Ortsmitte später wieder an Bedeutung, denn die Gemeinde stellte sie dem Spielmannszug Wierschem-Keldung als Übungsort zur Verfügung. Die Mitglieder des Spielmannszugs, der überwiegend aus Kinder und Jugendlichen bestand, bauten nicht nur die ehemalige Schulklasse zu einem Übungsraum aus, sondern auch die Speicherräume der Schule. Und die Wierschemer Gemeinde wandelte das seit 1960 nicht mehr genutze Backes in einen Gemeinderaum um. So dient auch heute noch das über 200 Jahre alte Schulhaus der Jugend und der Dorfgemeinschaft.

Vor 1960 war das Backes besonders zur Kirmeszeit Anfang Februar der Mittelpunkt des Dorflebens. Zum Apolloniatag am 9. Februar erwartete man zahlreiche Gäste, für die man unzählige Kuchen und Brote vorbereitete. So trafen sich schon sonntags vor der Kirmes die Bewohner beim Gemeindebackes,, um die Einteilung der Backzeiten vorzunehmen. Dazu wurde das Dorf in vier "Rotten" eingeteilt. Los 1 durfte dann von Dienstag- bis Mittwochmittag backen, die Nummer 2 von Mittwoch- bis Donnerstagmittag, Nummer 3 war von Donnerstag- bis Freitagmittag an der Reihe und Nummer vier durfte von Freitag- bis Samstagmittag das Backes nutzen. Montags nach dem Mittagsläuten trafen sich die einzelnen Rotten noch einmal betrennt, um den Stundenplan der einzelnen Familien auszulosen. Da bei der dichten Belegung der Ofen Tag und Nacht in Betrieb bleiben musste, hieß es für einige Familien, zu nachtschlafender Zeit ans Werk zu gehen.

Wer welchen Kuchen gebacken hatte, wußten vor allem die jugendlichen Beobachter, denn sie belagerten das Backes gerne - es konnte ja mal etwas "abfallen", wenn ein Kuchen anbrannte oder verunglückte. Das kam sicherlich öfter vor, denn manche Familien verarbeiteten bis zu 100 Pfund Mehl und lieferten somit 20 bis 30 Kirmeskuchen! Es gab aber auch Brot, Erdchen (Brtotecken), Apfelhäuschen (Brotteig mit einem Apfel), Apfelplatz (Hefeteig mit Apfel gefüllt), verschiedene Kuchensorten, Kleingebäck (Plätzchen) und "Döppekuchen".

 

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